Offener Brief an die Leitung der FH Potsdam

An die Leitung der Fachhochschule Potsdam:

Wir haben das Fachhochschulgebäude am Alten Markt besetzt, weil wir diese Ressource als großen gemeinschaftlich nutzbaren Freiraum erhalten und allen Menschen in Potsdam frei zugänglich machen möchten.

Unsere Absicht ist nicht, den laufenden Betrieb noch den Auszug der Fachhochschule zu stören. Unser Anliegen ist es, das Gebäude zu erhalten, deswegen werden wir Beschädigungen weder vornehmen noch dulden. Wir bitten Sie daher, die ungenutzten Räume zu öffnen oder uns Schlüssel zur Verfügung zu stellen. Wir werden die von uns genutzten Räume allerdings nicht mehr freiwillig aufgeben.

Was ist die Motivation und was ist das Ziel der Besetzung?

Die herrschende Wahrnehmung versteht die Stadt als Standort, der im Kapitalismus konkurrenzfähig sein muss.

Dafür sollen verschiedene Interessenlagen unter einen Hut gebracht werden. Es setzen sich dabei diejenigen mit der meisten Macht durch. Deshalb finden sich vor allem die Interessen konsumorientierter Oberschicht und privater Investor*innen im Stadtbild wieder.

Die Konsequenzen einer solchen Politik sehen vielerorts ähnlich aus: Die Fassaden werden prunkvoller und die Häuser seelenloser. Kultureinrichtungen werden geschlossen und z.B. junge Leute, Rentner*innen und Familien ohne endlos viel Geld aus der Innenstadt in Richtung Stern, Drewitz oder Waldstadt verdrängt. Die Menschen verlieren ihre Wohnungen und die Stadt ihre Lebendigkeit.

Dem wollen wir eine andere Perspektive entgegenstellen: Stadt von Unten.

Dabei geht es darum, Stadt als Begegnungsraum zu denken und für alle Bewohner*innen Bedürfnisgerechtigkeit herzustellen. Sei es in Bezug auf die Erfüllung von Grundbedürfnissen wie Essen/Trinken/Schlafen, oder nach sozialen Gemeinschaften und Bezugspunkten, nach kulturellem und politischem Input und Ausdruck. Es geht darum, eine Stadt der selbstorganisierten Möglichkeiten zu schaffen.

Ein Abriss des FH-Gebäudes mit anschließender Privatisierung der Liegenschaften am Alten Markt wäre ein Schritt in die entgegengesetzte Richtung. Die Stadtpolitische Debatte um die symbolische Frage „Wem gehört die Stadt?“ hat sich in den letzten Monaten immer weiter im Gebäude der Fachhochschule manifestiert. Ausdruck gefunden hat diese Zuspitzung auch im Bürger*innenbegehren aus dem letzten Sommer Ausdruck gefunden, das von der Stadtverordnetenversammlung mit einem juristischen Winkelzug ausgeschaltet wurde.

Warum ist eine Besetzung ein geeignetes Mittel?

Die Mittel, die im Rahmen der Parteipolitik in der Stadt offenstehen, wurden ausgeschöpft. Durch sie kann ein Abriss der Fachhochschule nicht mehr verhindert werden.

Da aber offenbar das Bedürfnis nach einem von allen Menschen nutzbaren Raum vorhanden ist und es mit der Fachhochschule ein Gebäude gibt, das dieses Bedürfnis befriedigen kann, ist für uns die Direkte Aktion die angemessene Handlungsform zur gemeinsamen Verwirklichung dieser Interessen. Vor dem Hintergrund des geplanten Abrisses gibt es aus unserer Sicht nur noch zwei Alternativen: Aufgeben oder Besetzen! Menschen in Potsdam können sich zusammenschließen, um die Vernichtung einer Ressource zu verhindern und deren Nutzung selbst zu organisieren. Abseits von historischer Verklärung und Profitinteressen kann so ein den Bedürfnissen der Menschen in Potsdam entsprechender Umgang mit dem Gebäude unmittelbar selbst ins Werk gesetzt werden. Der mit einer Besetzung geöffnete Raum kann dabei auch die Freiheit bieten, Wünsche für die Stadt zu entwickeln.

Was passiert als nächstes?

Wir laden alle Interessierten ein, sich im Gebäude umzuschauen und die freien Räume zu nutzen und zu gestalten. Uns ist es wichtig dabei die Interessen der Kolleg*innen, die noch im Gebäude arbeiten, genauso ernst zu nehmen wie die von anderen, neu entstehenden Nutzer*innen. Wir werden geeignete Gelegenheiten schaffen, um die dafür erforderlichen Absprachen vor Ort zu treffen.

Die Räume des Fachhochschulgebäudes am Alten Markt sollen für alle, die sie nutzen wollen, offenstehen und wir laden alle Interessierten ein, dazuzustoßen. Um diese Offenheit zu gewährleisten, werden aber, da das Gebäude vom Abriss bedroht ist, Menschen rund um die Uhr vor Ort bleiben. Wir haben uns dazu in mehreren Räume im Gebäude verbarrikadiert. Die Besetzung wird solange aufrechterhalten werden, wie es zur Umsetzung unserer Ziele erforderlich ist.

Auf gute Zusammenarbeit!

Die Besetzer*innen

 

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