Was bleibt?

Unsere Potsdamer Stadtgesellschaft sieht sich seit nunmehr über 25 Jahren einem gestalterischen Willen ausgesetzt, welcher einzig die öffentlichen Bauten und Anlagen aus der Zeit vor 1945 für schmuck und erhaltenswert betrachtet. Zum Beleg dessen soll die folgende Liste dienen, welche verdeutlicht, dass sich hierbei um einen umfassenden Prozess der Auslöschung öffentlicher Bauten aus der DDR Zeit handelt.

Abgerissen:

  1. Dach Busbahnhof Bassinplatz

  2. Schuhhaus am Platz der Einheit

  3. „Haus des Reisens“ am Platz der Einheit:

  4. Ernst Thälmann Stadion neben dem Hotel Mercure

  5. „Markthalle“ an der Breiten Straße

  6. Freizeitzentrum „Drushba“ (später „Blauhaus“)

  7. Gebäude ehemalige Wasserwirtschaft, später Familiengericht

  8. Rohbau des Theaterneubaus auf dem Alten Markt

  9. Fernmeldeamt der Hauptpost in der Straße Am Kanal

  10. Alte Feuerwehr in der Seelenbinder Straße

  11. Kugel vor der Bibliothek mit Marx Zitat

  12. Wohngebietszentrum „ORION“ am Stern

Abriss geplant:

  1. Fachhochschule am Alten Markt

  2. Wohnblock Staudenhof

  3. Hotel Mercure, ehemaliges Interhotel

  4. Schwimmhalle am Brauhausberg

  5. Gaststätte „Minsk“ am Brauhausberg

  6. Rechenzentrum an der Breiten Straße

  7. Segelverein im Park Babelsberg

  8. Strandbad Babelsberg

Gerettet:

  1. Pionierhaus / Treffpunkt Freizeit nach Bürgerbegehren

  2. Gaststätte Charlottenhof durch Stadtteil-Netzwerk Potsdam West

Wes‘ Geistes Kind ist dieser Irrsinn?

All diesen Objekten blühte oder blüht noch das gleiche Schicksal: Abriss, Entfernung aus dem Stadtbild und somit der Möglichkeit der Erinnerung, Wertschätzung und öffentlichen Nutzung. Es handelt sich um eine umfassende Ausradierung des städtebaulichen Wirkens zweier Generationen in dieser Stadt während der Existenz der DDR. Im Zentrum der Stadt reicht diese Schneise der Verwüstung vom Bassinplatz bis zum Brauhausberg. Die im Stadtbild durch die Architektur und Anlagen verschiedener Epochen sichtbare historische Entwicklung wird hier negiert. Die jüngste Epoche wird komplett geschliffen, nahezu ausgelöscht, zugunsten einer Wiederherstellung des städtebaulichen Zustandes zu Zeiten der preußischen Monarchie. Das Ausmaß dieses Vorgehens wirkt diktatorisch und konterkariert die demokratische Basis auf dem dieses Agieren beruht. Gemeint ist der 27 Jahre alte Beschluss der Stadtverordnetenversammlung aus dem Jahr 1990, welcher eine „behutsame Wiederannäherung an das charakteristische, historisch gewachsene Stadtbild“ (Beschluss STVV am 24.10.1990 – DS 060/2/90) zum Ziel hatte. „Behutsam“ ist mit Blick auf die obige Liste hier jedoch längst nicht mehr der passende Ausdruck. Ebenso angestrebt werden hierbei die Möglichkeiten der geschäftlichen Gewinnschöpfung mittels Privatisierung öffentlichen Eigentums durch Flächenkauf und -verkauf sowie den gewinnbringenden Bau von Wohn- und Geschäftsgebäuden.

Die damaligen Gegner des Abrisses von Teilen der historischen Innenstadt im Jahr 1989 (Gruppe ARGUS um S. Hüneke) hatten diesen Beschluss in die neugewählte Stadtverordnetenversammlung eingebracht. Mittlerweile jedoch ist dieser Beschluss selbst zur Grundlage einer politisch motivierten Abrissorgie von historischer Bausubstanz verkommen, die ihresgleichen sucht. Intakte und ehemals intakte Gebäude fallen einem gestalterischen, rückwärtsgewandten Willen zum Opfer. Der Vorwurf an diese Bauten, ist stets derselbe: „ästhetisch hässlich“, „Notdurft-Architektur“ (G. Jauch), eine durch den SED-Staat verordnete Umgestaltung der historischen Mitte sowie deren Ausdruck als Herrschaftsarchitektur des SED Regimes. Doch was sind Stadtschloss und Garnisonkirche anderes sind, als Herrschaftsarchitektur einer Monarchie (diese ist per se nicht demokratisch ), welche 1918/19 durch breite Teile der Bevölkerung zu Fall gebracht wurde. Zumal es beim Wiederaufbau der Garnisonkirche immer wieder heißt: die Steine, also das Bauwerk für sich sei unschuldig. Dieses Argument der vermeintlichen Neutralität von Bausubstanz und Architektur wird im Umkehrschluss den öffentlichen Bauten aus der Zeit zwischen 1949 und 1989 nicht zugestanden. Hier mangelt es offensichtlich an glaubwürdiger Argumentation und Gleichbehandlung von Historie.

Aktuelle Initiativen, wie jene zum Erhalt der noch verbliebenen innerstädtischen Bauten, bspw. der Fachhochschule, belegen ein breites öffentliches Interesse in der heutigen Potsdamer Bevölkerung, diese Gebäude nicht einzureißen, sondern weiterzunutzen. Dieses Ansinnen wird jedoch negiert mit Verweis auf den Beschluss der Stadtverordneten von vor 27 Jahren. Das ist eines der wenigen Argumente mit dem jeder weitere Abriss begründet wird. Es ist beschlossen und damit basta, auch wenn sich im vergangenen Jahr mehr als 15000 Menschen per Unterschrift für den Erhalt ausgesprochen haben. Was ist nun demokratisch und zeitgemäß? Der 27 Jahre alte Beschluss der damaligen Stadtverordneten, oder der aktuell fünfzehn-tausendfach mit Unterschrift zum Ausdruck gebrachte Wille zum Erhalt etwa des Fachhochschulgebäudes.

Ein anderes häufig gebrauchtes Argument für die Zerstörung des FH-Gebäudes spricht von unabsehbaren Kosten für den weiteren Erhalt und den Betrieb. Dem ließe sich bspw. der fragwürdige Umgang mit der seit Jahren defizitären Biosphäre entgegenhalten: Obwohl die Biosphäre für den bloßen Fortbestand zukünftig jährlich einen Zuschuss von 1,9 Millionen Euro benötigt, wird sie nicht abgerissen. Die anstehende Sanierung (nach nur 16 Jahren) wird mit 10 Millionen Euro kalkuliert. Ein finanziell tragfähiges Betreiber-Konzept konnte bis dato nicht entwickelt werden. Ein Abriss würde etwa 2 Millionen Euro kosten, also in etwa die laufenden Kosten eines Jahres. Dennoch wird von einem Abriss abgesehen, denn: Nun steht sie schon mal da, einen Abriss könne man politisch nicht vermitteln und es handle sich zudem um das einzige ansehnliche Objekt moderner Architektur in der Stadt. Das Geld um die Kosten hier zu decken ist dann aber offensichtlich irgendwie da und kann zur Verfügung gestellt werden.

Das FH-Gebäude wiederum, welches aufgrund seiner vielschichtigen räumlichen Struktur (von kleinen Büroräumen über Seminarräume, Hörsäle und große verglaste Hallen im Untergeschoss) wunderbar für die weitere öffentliche Nutzung geeignet wäre, soll der rückwärtsgewandten Agenda einer Stadt als Freilichtmuseum weichen.

Was bleibt? Retten was noch zu Retten ist!

Sofortiger Abrisstop der verbliebenen Bauten der „Ostmoderne“!

Moderne Bedürfnisse statt Historische Grundrisse!

Erhalt und Weiternutzung des FH-Gebäudes für die Stadtgesellschaft!

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